CALL FOR ABSTRACTS: Entsolidarisierung? Flucht, Schutz und Teilhabe in einer Welt ohne Ordnung
6. Konferenz des Netzwerks Fluchtforschung
Konferenzthema und Zielsetzung
Diese internationale wissenschaftliche Konferenz untersucht kritisch, wie Zwangsmigration, Flüchtlingsschutz und Inklusion in einer zunehmend fragmentierten und unsicheren globalen Ordnung neu definiert werden. Sie zielt darauf ab, die Auswirkungen auf Solidarität in internationalen, nationalen und lokalen Kontexten zu analysieren. Welche Formen von Solidarität stehen derzeit unter Druck, welche gewinnen an Bedeutung und wie? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Rechte, Anerkennung, den Schutz und die Teilhabe von Geflüchteten?
In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Menschen, die weltweit zur Flucht gezwungen wurden, zugenommen und erreichte im Jahr 2024 123,2 Millionen. Ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren prägt diese Entwicklung: anhaltende und (erneut) eskalierende Konflikte in Regionen wie Sudan, Myanmar, Ukraine, Gaza, dem weiteren Nahen Osten und dem Horn von Afrika; autoritäre Tendenzen und ein geschwächtes multilaterales System; Umweltzerstörung; sowie tief verwurzelte globale Ungleichheiten. Hinzu kommt die komplexe Dynamik internationaler Entwicklungszusammenarbeit, die seit Jahren zur Bekämpfung der „Fluchtursachen“ eingesetzt wird, während großangelegte Infrastrukturprojekte paradoxerweise weitere Vertreibungen verursachen. Diese Überschneidungen belasten traditionelle Schutzmechanismen und erschweren die Handlungsfähigkeit bestehender Governance-Strukturen.
Fünfundsiebzig Jahre nach Inkrafttreten der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 bleiben ihre Kernprinzipien formal bestehen, werden jedoch schon fast routinemäßig hinterfragt, neu interpretiert oder umgangen. Die normativen Grundlagen des Flüchtlingsschutzes stehen zunehmend unter Druck. So verlagern europäische Staaten ihre Strategien von multilateralen Abkommen hin zu bilateralen Deals mit Herkunftsländern, um Migration gezielt zu steuern und zu kontrollieren. Diese Abkommen umgehen UN-geführte Bemühungen und riskieren, koloniale Ungleichheiten zu perpetuieren und Migrant*innen zu marginalisieren, insbesondere wenn menschenrechtlicher Schutz nicht gewährleistet ist. Gleichzeitig nehmen Abschreckungs-, Externalisierungs- und Sicherungsmaßnahmen zu, selbst in langjährigen Aufnahmestaaten. In vielen demokratischen Ländern gewinnen rechtspopulistische Parteien und Narrative an Einfluss, während Mitte-Links-Parteien in der Migrations- und Asylpolitik nach rechts rücken. Öffentliche Diskurse über Migration sind oft polarisiert, untergraben den sozialen Zusammenhalt und die politische Unterstützung für inklusive Politiken, während sie häufig auf mangelnder sachlicher Grundlage beruhen. So bestehen in postmigrantischen Gesellschaften weiterhin ungleicher Zugang zu öffentlichen Ressourcen und Ausschlussmechanismen. In diesem Kontext sind relevante zivilgesellschaftliche Initiativen zunehmend unter Druck, während gleichzeitig Beispiele alltäglicher Solidarität, gegenseitiger Unterstützung und gesellschaftlicher Nähe weiterhin sichtbar werden.
Geographisch betrachtet liegt der Fokus von westlicher Medienberichterstattung und Forschung oft auf den Aufnahmestaaten im Globalen Norden, obwohl die meisten Geflüchteten in Nachbarländer, überwiegend im Globalen Süden, gelangen. Dies verdeutlicht eine Diskrepanz zwischen der globalen Wahrnehmung von Flucht „vom Süden in den Norden“ und den tatsächlichen Migrationsmustern sowie den vielfältigen Solidaritätspraxen. Während Geflüchtete lange primär als Opfer dargestellt wurden, rücken neuere wissenschaftliche Arbeiten die agency der Betroffenen in den Vordergrund, die neue Formen von Solidarität und Fürsorge aktiv gestalten.
Die Konferenz lädt zu einem inter- und transdisziplinären Dialog ein, um zu erforschen, wie Akteur*innen – von politischen Entscheidungsträger*innen und Praktiker*innen bis zu Wissenschaftler*innen und Community-Organisator*innen – auf diese Entwicklungen reagieren. Besonders erwünscht sind Beiträge, die beleuchten, wie Schutz und Inklusion unter Bedingungen wachsender politischer Unsicherheit, administrativer Einschränkungen und sozialer Fragmentierung konzeptualisiert und umgesetzt werden.
Inter- und transdisziplinäres Engagement
Die Konferenz richtet sich an Forschende mit und ohne Fluchterfahrung auf allen Karrierestufen sowie an Praktiker*innen, Studierende und Interessierte. Ziel ist es, Teilnehmende aus verschiedenen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Bereichen – u. a. Politikwissenschaft, Soziologie, Anthropologie, Soziale Arbeit, Humangeographie, Pädagogik, Recht, Public Health, Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie Psychologie – zusammenzubringen. Das Ziel ist es, empirisches Wissen und praxisorientierte Expertise zu verbinden und so kritische, kollaborative Gespräche zu fördern.
Thematische Schwerpunkte (Auswahl, nicht abschließend)
Veränderungen von Governance-Strukturen im Flüchtlingsschutz und Asyl
Wandel der Rolle internationaler Organisationen und multilateraler Rahmenwerke
Urbane Vertreibung und lokale Inklusionspolitik
Rechtspopulismus, Versicherheitlichung und Kriminalisierung von Mobilität
Abschreckung, Abschiebung und Externalisierungspolitiken
Schutzlücken und humanitäre Governance in langanhaltenden Krisen
Schutzlücken und humanitäre Governance in langanhaltenden Krisen
Partizipation, Agency und Basisorganisation von Geflüchteten
Zivilgesellschaftliche Initiativen und Sanctuary-Bewegungen
Intersektionen von Zwangsmigration mit Rasse, Geschlecht, Sexualität und Klasse
Psychische Gesundheit, Trauma und psychosoziale Unterstützung in Fluchtkontexten
Bildung, Sprachzugang und Inklusionspolitik
Digitale Grenzen, biometrische Überwachung und Datenmanagement in Asylsystemen
Rechtliche und ethische Herausforderungen in Migrationsentscheidungen und Schutzverfahren
Alltägliche Strategien der Navigation, des Widerstands und der Integration von Geflüchteten
Vergleichende Perspektiven auf Solidarität und Ausschluss weltweit
Beiträge können theoretisch, empirisch oder praxisorientiert sein. Besonders willkommen sind Beiträge, die disziplinäre oder sektorale Grenzen überschreiten und unterrepräsentierte Stimmen – inklusive von Geflüchteten – sichtbar machen.
Einreichungsrichtlinien
Abstracts: max. 300 Wörter, inkl. Name, Institution und E-Mail-Adresse der Autor*innen.
Einreichung über das Online-Formular bis zum 9. Januar 2026.
Benachrichtigung über Annahme: März 2026.
Einreichungssprache: Deutsch oder Englisch.
Einreichungen können zudem von den Arbeitskreisen (AKs) des Netzwerks Fluchtforschung empfohlen werden. Solche Empfehlungen werden im Auswahlverfahren privilegiert berücksichtigt. Bitte geben Sie dies im entsprechenden Textfeld des Einreichungsformulars an.
Akzeptierte Formate
Einzelbeiträge
VororganisierteRoundtables
Workshops
Panels
Auswahlkriterien und Leitlinien für Panels, Roundtables und Workshops
Panel: Panelvorschläge sollten maximal vier Beiträge enthalten. Vorschläge mit drei Beiträgen sind ausdrücklich willkommen, da so die Organisator*innen thematisch passende Einzel-Einreichungen ergänzen können. Panels sollten institutionelle Vielfalt abbilden und Teilnehmende verschiedener Karrierestufen einbeziehen. Panels, die den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis (z. B. Politik, Verwaltung, Schulen, NGOs) fördern, werden besonders begrüßt.
Roundtable: Roundtable-Vorschläge sollten den offenen Austausch und Diskussion zu einer spezifischen Frage, Herausforderung oder einem aktuellen Thema fördern, das klar zum Konferenzthema passt. Roundtables eignen sich besonders für debattenorientierte Formate. Beiträge sollten Thema, Teilnehmende und Struktur der Diskussion klar darstellen und kurz die Relevanz des Themas begründen. Die Einbeziehung von Akteur*innen aus unterschiedlichen Bereichen – z. B. von Geflüchteten geleitete Organisationen, Politik oder Bildung – wird besonders begrüßt, da sie den interdisziplinären Austausch bereichern.
Workshop: Workshop-Vorschläge sollten interaktive, 90-minütige Sitzungen beschreiben, die aktive Teilnahme, Kompetenzentwicklung oder kollaboratives Arbeiten fördern. Anders als Panels oder Roundtables sind Workshops nicht primär diskussionsbasiert, sondern beinhalten praxisorientierte Elemente. Workshopvorschläge sollten die Ziele der Sitzung klar benennen und erläutern, warum sich ein Workshop-Format besser eignet als ein Panel. Dabei sollten die geplanten interaktiven Methoden detailliert beschrieben werden. Zudem ist anzugeben, ob der Workshop auf ein konkretes Ergebnis wie eine Publikation, ein Lehrmaterial oder ein methodisches Werkzeug abzielt. Die Vorschläge sollen den Bezug zum Konferenzthema herstellen und die aktuelle Relevanz des Themas begründen. Weiterhin ist die Zielgruppe zu benennen und darzulegen, wie Teilnehmende mit unterschiedlichen Hintergründen und Perspektiven einbezogen werden. Schließlich sind Angaben zu Raumgröße, technischer Ausstattung und benötigten Materialien erforderlich, um die Durchführung des Workshops zu ermöglichen. Workshops, die Forschung und Praxis verbinden und Teilnehmenden konkrete Anwendungsmöglichkeiten eröffnen, werden besonders gefördert.
Wichtige Termine
Einreichungsfrist Abstracts: 9. Januar 2026
Benachrichtigung Annahme: März 2026
Registrierung: 1. März bis 30. Juni 2026
Konferenztermine: 28.–30. September 2026
Konferenzdetails
Die Konferenz findet in Präsenz an der Universität Hildesheim statt.
Grundsätzlich planen wir alle Panels vollständig in Präsenz mit Teilnahme vor Ort. In gut begründeten Ausnahmefällen können wir eine sehr kleine Zahl hybrider Panels (maximal drei pro Zeitslot) ermöglichen. Bitte melden Sie entsprechenden Bedarf mit kurzer Begründung (z. B. gesundheitliche Gründe, Visabestimmungen oder besondere Betreuungspflichten) frühzeitig – spätestens vor Abschluss der Registrierung – beim Organisationsteam.
Ort:
Universität Hildesheim
Hauptcampus / Campus Marienburger Höhe
Universitätsplatz 1
31141 Hildesheim
Übersichtsplan Hauptcampus Universitätsplatz (Marienburger Höhe)
Wegweiser für Menschen mit Behinderung: Hauptcampus am Universitätsplatz
Informationen zur Registrierung
Konferenzgebühren:
Regulär: 120 €
Ermäßigt: 80 € (Die Ermäßigung ist insbesondere vorgesehen für Teilnehmende ohne institutionelle Unterstützung, Early-Career-Forschende sowie Kolleg*innen aus Nicht-EU- bzw. Nicht-OECD-Ländern.)
Registrierungsfrist: 01. März 2026 bis 30. Juni 2026
Die Gebühren umfassen Zugang zu allen Konferenzsitzungen, Mittagessen und Kaffeepausen, eine Abendveranstaltung sowie Konferenzmaterialien. Anreise, Unterkunft und weitere Kosten sind selbst zu organisieren.
Eine Teilnahme an der Konferenz, ist auch ohne Einreichung möglich. Dazu müssen Sie sich innerhalb der Frist registrieren.
Bei Bedarf kann eine Kinderbetreuung zu bestimmten Konferenzzeiten in Anspruch genommen werden. Dafür wird ein Unkostenbeitrag pro Kind erhoben. Näheres erfahren Sie im Registrierungsprozess ab März 2026.
Finanzielle Unterstützung:
Stipendien für Geflüchtete sowie (begrenzte) finanzielle Unterstützung für Antragstellende ohne institutionelle Förderung werden – abhängig vom Erfolg der laufenden Fundraising-Bemühungen – zur Verfügung gestellt; Details folgen Anfang 2026 auf der Konferenzwebsite.
Sprachen: Deutsch und Englisch
Organisationsteam
Vorstand des Netzwerks Fluchtforschung
c/o German Institute for Global and Area Studies | Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA)
Neuer Jungfernstieg 21
20534 Hamburg
https://fluchtforschung.net/home/
Konferenzleitung und lokales Organisationsteam
Zentrum für Bildungsintegration (ZBI), Universität Hildesheim
Prof. Dr. Sybille Münch
Anna-Christine Görg
Miriam Kühne
Migration Policy Research Group, Universität Hildesheim
Prof. Dr. Hannes Schammann
Zeynep Aydar
Christin Younso
Stiftung Universität Hildesheim
Universitätsplatz 1
31141 Hildesheim
www.uni-hildesheim.de/zbi
www.uni-hildesheim.de/migrationspolitik